Väter: Zwischen Tradition und Wandel in der Lebensgestaltung. Matthias Oberbacher, Katholische Männerbewegung
Jede Person auf dieser Welt hat eine Beziehung zu einem Vater, sei es biologisch, durch Adoption oder eine andere Form der Elternschaft. Diese Beziehung zu unserem Vater prägt uns in vielerlei Hinsicht und beeinflusst unsere Vorstellungen davon, was einen guten oder weniger guten Vater ausmacht. Wir alle tragen daher ein mentales Bild in uns, wie ein Vater sein sollte, basierend auf unseren eigenen Erfahrungen, den Geschichten anderer und den gesellschaftlichen Normen. Doch schon hier stoßen wir auf ein Dilemma: Die Vorstellungen davon, was einen idealen Vater ausmacht, können stark variieren und sind oft von persönlichen Erfahrungen und kulturellen Einflüssen geprägt. Einige mögen sich einen liebevollen, unterstützenden Vater vorstellen, der immer da ist, um zu helfen und zu beraten, während andere eher ein strenges, autoritäres Bild im Kopf haben, das von Disziplin und Strenge geprägt ist. Das Dilemma liegt also darin, dass es keine einheitliche Definition gibt, was einen "guten" Vater ausmacht. Stattdessen müssen wir uns mit den vielfältigen und oft widersprüchlichen Vorstellungen auseinandersetzen, die in unserer Gesellschaft existieren, und letztendlich unsere eigenen Vorstellungen und Erwartungen entwickeln. Trotzdem bemerkt man in unserer stetig verändernden Gesellschaft, dass das Bild des Vaters im Allgemeinen einem bemerkenswerten Wandel unterzogen ist. Stand der Vater früher als Haupternährer und Autoritätsperson im Mittelpunkt des Familienlebens, so vereint der moderne Vater heute eine zunehmende Vielfalt an unterschiedlichen Lebensrealitäten und eine breite Palette an verschiedenen Rollen. Er zeigt emotionale Präsenz, teilt die Verantwortung für die Erziehung, unterstützt die individuelle Entwicklung der Kinder und übernimmt im besten Fall auch Aufgaben im Haushalt. Nur durch solch einen umfassenden Ansatz können traditionelle Geschlechterrollen aufgebrochen und gesellschaftliche Veränderungen eingeleitet werden. Trotzdem bleibt die Vorstellung des Vaters als Beschützer und Versorger weiterhin besteht, aber seine Rolle hat sich mittlerweile erweitert. Wie erwähnt werden heutzutage Väter immer häufiger als aktive Partner in der Kindererziehung und im Haushalt betrachtet. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu einer Neubewertung traditioneller Geschlechterrollen. Der moderne Vater steht vor der Herausforderung, geschickt zwischen den Erwartungen der Tradition und den Anforderungen des Wandels zu jonglieren. Ein paar Zahlen verdeutlichen jedoch, dass die Erwartungen nicht immer mit der Realität übereinstimmen: Das Landesinstitut für Statistik - Astat - zitiert in seiner Publikation “10 zum Vatertag im Jahr 2023" Daten aus der Südtiroler Familienstudie 2021. Diese zeigen, dass in etwa 8-9% der Familien hauptsächlich die Väter dafür verantwortlich sind, ihre Kinder in den Kindergarten oder zur Schule zu bringen sowie sie bei außerschulischen Aktivitäten zu begleiten. In 6% der Fälle kümmert sich in erster Linie der Vater darum, das Kind ins Bett zu bringen und in 5% nachts aufzustehen, wenn es weint. Die Eltern, die erklären, dass sich vor allem der Vater um die Kinder kümmert, machen bei allen Aufgabenbereichen dieser Studie weniger als 10 % aus. Die Hauptlast, so das Astat, liegt also immer noch bei den Müttern und trotzdem werden heutzutage Väter immer mehr in die Familienarbeit miteinbezogen und spielen dadurch eine viel aktivere Rolle. Wenn die Väter gewisse Familientätigkeiten schon nicht allein machen, so werden viele Aufgabenbereiche doch vermehrt von beiden Eltern gleichermaßen wahrgenommen. Der gesellschaftliche Wandel geschieht, aber nicht von heute auf morgen, sondern er vollzieht sich langsam. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass es heutzutage keine Seltenheit mehr ist, einen Vater mit einem Kinderwagen zu sehen – etwas, das vor 30 bis 40 Jahren undenkbar gewesen wäre. Auch einige kürzlich veröffentlichte Zahlen des Arbeitsförderungsinstituts unterstreichen diese Tatsache: "Im Jahr 2022 haben fast 5.000 Väter, die in der Privatwirtschaft in der Region Trentino-Südtirol beschäftigt sind, den obligatorischen Vaterschaftsurlaub in Anspruch genommen – eine Zahl, die im Vergleich zu den Vorjahren stark angestiegen ist." Der Anteil der Väter, die Elternurlaub genommen haben, lag in der Region bei etwa 27%. “Nichtsdestotrotz”, so die AFI Forscherin Maria Elena Iarossi, “ ist die Elternzeit von Vätern nach wie vor kürzer als jene der Mütter – das scheint sich auch nicht wesentlich zu ändern. Im Jahr 2022 beträgt die Dauer der fakultativen Elternzeit”, so die Forscherin,” von Vätern 31 Tage (bei Müttern 72 Tage), was genau der maximalen Dauer für eine 100-prozentige Bezahlung gemäß den meisten nationalen Kollektivverträgen entspricht. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Beibehaltung der vollen Bezahlung diese Entscheidung wesentlich mitprägt". Oft tragen gesetzliche Regelungen maßgeblich dazu bei, wie die Rollen innerhalb der Familien verteilt werden und wer sich letztendlich für die Betreuung der Kinder innerhalb der Familie entscheidet. Politik und Wirtschaft können dabei verschiedenen Maßnahmen ergreifen, um Väter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu unterstützen: 1 Förderung von Elternzeit und Elterngeld: Die Politik kann Programme wie Elternzeit und Elterngeld weiterentwickeln und flexibler gestalten, um Vätern Anreize zu bieten, sich aktiv an der Kinderbetreuung zu beteiligen. 2 Schaffung flexibler Arbeitsmodelle: Unternehmen könnten flexible Arbeitszeitmodelle einführen, die es Vätern ermöglichen, ihre Arbeitszeiten besser an die Bedürfnisse ihrer Familie anzupassen. 3 Betriebliche Kinderbetreuung: Die Bereitstellung von betrieblicher Kinderbetreuung oder die Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Betreuungsmöglichkeiten kann Vätern helfen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. 4 Förderung einer familienfreundlichen Unternehmenskultur: Unternehmen könnten eine Kultur fördern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt, beispielsweise durch flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten und Verständnis für familiäre Verpflichtungen. 5 Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung: Politik und Wirtschaft könnten Programme zur Sensibilisierung für die Bedeutung der Vaterschaft und die Rolle von Vätern in der Familie initiieren, um traditionelle Rollenbilder aufzubrechen und neue Vaterbilder zu fördern. Durch diese Maßnahmen könnten Väter ermutigt werden, eine aktivere Rolle in der Familie einzunehmen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Die Vereine Il Melograno Südtirol, Aied und Allianz für Familie hat diesbezüglich klare Forderungen an die Politik gestellt und zwar:
1) 80% GEHALT FÜR 6 MONATE ELTERNZEIT
• wenn sie innerhalb der ersten 18 Lebensmonate des Kindes genommen werden
• 3 Monate für die Mutter, 3 Monate für den Vater, die nicht gleichzeitig genommen werden dürfen;
2) ERHÖHUNG DER OBLIGATORISCHEN VATERSCHAFTSZEIT AUF 40 TAGE
• ab dem Tag der Geburt des Kindes
• für alle Beitragszahlenden (abhängige, atypische und selbständige Arbeiter).
Wie bereits gesagt, befinden sich viele Väter heute in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel. Während viele traditionelle Rollenerwartungen noch bestehen, öffnen sich gleichzeitig neue Möglichkeiten für eine aktive und partnerschaftliche Vaterschaft. Indem wir diese Veränderungen anerkennen und unterstützen, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Väter ihre Rolle als liebevolle und engagierte Elternteile voll ausleben können. Dazu braucht es aber ein Zusammenspeil von vielen sozialen Akteuren wie Politik, Wirtschaft, Familien und Gesellschaft im Allgemeinen. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an.